TAKE OFF YOUR CLOTHES – ein Horrorfilm basiert auf Fakten

  • Monday, Jan 31, 2022

Clothes

Wer mal 9 Minuten Zeit hat, sollte sich auf Youtube den kostenlosen Horror-Kurzfilm „TAKE OFF YOUR CLOTHES“ ansehen. Die knapp 4 Millionen Views bezeugen, dass der von Felix Charin inszenierte Film nicht nur unterhaltsam gruselig ist, sondern auch noch ein höheres Ziel verfolgt: Aufmerksamkeit auf ein globales Problem zu lenken, welches extreme soziale und ökologische Folgen hat – und uns alle betrifft!

Ein ganz normaler Shoppingtag…

Ein schwach beleuchteter, kleiner Raum, draußen die Dunkelheit – es ist Abend. Das Zimmer sieht gemütlich aus mit gemusterter Blumentapete und zahlreichen Accessoires, ist jedoch ziemlich vollgestopft mit Klamotten und Modeartikeln. Sie hängen an den Wänden, liegen auf dem Bett, und auf dem Boden stehen frisch abgestellte Einkaufstüten, auf denen die Namen einiger bekannter Modeshops prangen. Ein Mädchen steht vor dem Ganzkörperspiegel und probiert ein neues Shirt an. Ihre Freundin ist auch da, offensichtlich sind die beiden gerade von einer Shoppingtour nach Hause gekommen.

Die Freundin entschuldigt sich jedoch, sie muss schnell los – und damit ist unsere Protagonistin alleine im Zimmer und der eigentliche Horrorfilm beginnt. Seltsame Dinge passieren: zuerst entdeckt sie einen verbrannten Fleck an einem frisch gekauften Kleidungsstück, dann klingelt ein fremder Mann an der Tür, der sich zunehmend verstörend benimmt, mit einem Feuerzeug spielt und das Mädchen eindringlich auffordert, ihre Kleidung auszuziehen („Take off your clothes“).

…. Doch es spukt aus guten Grund!

Das alleine ist schon beunruhigend genug, aber schnell passieren weitere, noch gruseligere Dinge um die junge Frau herum. Der weiterhin mit seinem Feuerzeug klickende Fremde steht draußen unter dem Fenster während die Kleidung im Zimmer ein Eigenleben entwickelt. Shirt und Hosen arrangieren sich wie eine sitzende Person auf dem Stuhl, das Türschloss klappert, und plötzlich hängen die alle Klamotten nicht mehr an den Kleiderbügeln an der Wand, sondern liegen in einem riesigen, unordentlichen Haufen auf dem Bett.

Wie jeder normale Mensch wendet sie sich an ihr Handy, schreibt ihre Freundin um Hilfe an, aber diese antwortet sonderbarerweise nur wieder die gleiche Forderung: „Take off your clothes!“. Als das Handy mit einem Stromschlag unters Bett fällt, ist die Protagonistin vollends verängstigt!

Heimsuchung der Fast Fashion Opfer

Während die junge Frau in Panik unter dem Bett nach ihrem Handy tastet, wird Realität, worauf der Zuschauer wahrscheinlich schon mit dunkler Vorahnung gewartet hat: es ist jemand im dunklen Haus, zu hören ist nur das wiederholte Klicken eines Feuerzeugs, eine schemenhafte Gestalt taucht auf und verschwindet, nur um näher bei der Protagonistin plötzlich wieder aufzutauchen. Durch passende Gruselmusik und Soundeffekte reiht sich ein spannungsgeladener Erschreck-Moment an den nächsten, während sich langsam, aber sicher, die knallharte Botschaft des Horrorfilms offenbart.

Die übernatürliche, geisterhafte Erscheinung, welche die modebewusste junge Frau heimsucht, ist eine südostasiatische Textilfabrikarbeiterin, in traditionelle Gewänder gehüllt und mit einem seltsam verbrannt wirkenden Gesicht. Der Geist personifiziert all jene unterbezahlen Fabrikarbeiterinnen, die in armen Ländern der sogenannten dritten Welt unter extrem schlechten Bedingungen schuften, um billige Kleidung für die kaufkräftigen Modekonsumenten des Westens zu schneidern.

Harsche Kritik an der Fast Fashion Industrie

Damit ist die Botschaft des Horror-Kurzfilms klar: der eigentliche Horror ist nicht der Geist der Fabrikarbeiterin, sondern die sogenannte Fast Fashion Industrie selbst, welche die Ärmsten der Armen unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten lässt, um massenhaft billige Modeartikel zu produzieren, die man dann in den reichen Ländern der Welt für ordentlich Profit verkaufen kann.

Während reiche Leute im Westen ohne viel nachzudenken die vermeintlichen Schnäppchen feiern und sich jeden Tag fünf neue Outfits leisten können, wird in den Textilfabriken ein umso höherer Preis dafür bezahlt. Die Arbeiter, meistens Frauen und sogar Kinder, werden schamlos und ohne jede Rücksicht ausgebeutet. 12 Stunden Schichten, miese Arbeitsbedingungen, wenige Cents als Lohn, und zum Teil auch extrem unsichere Fabriken: das verbrannte Gesicht des Geists ist ein makabrer Verweis auf einen Unfall aus dem Jahr 2012, als eine unzureichend abgesicherte Fabrik abbrannte. Hunderte Arbeiter starben oder wurden verletzt.

Die Umwelt leidet mit den Arbeiterinnen

Neben den krassen sozialen Problemen, die mit diesem Businessmodell einhergehen, gibt es auch noch schwerwiegende ökologische Folgen: denn diese Kleidung wird nicht produziert, um lange zu halten – es sind Wegwerf-Produkte, die von vielen gedankenlosen Konsumenten nur einmal oder manchmal auch niemals getragen werden und letztendlich zum Textilmüll werden.